Den Li per Kayak erkunden |
Zunächst einmal ein paar Links zu Seiten, wo ihr weniger
trockene Kost als bei mir bekommt und mit tollen Bildern der letzten zwei
Monate versorgt werdet:
Zum einen ein paar Bilder von Cristina:
Sowie der Blog und ein paar Bilder von Max:
Ping’an hatte uns mit der langen Bahnreise in jedem Fall
versöhnt, in Guilin hatte das Barbecue bei
den Wada-Girls (wie sich die Chinesinnen, die das gleichlautende Hostel
betreiben, selber nennen) die vom
Wandern ermüdeten Wanderer wieder gestärkt, so dass Max, Cristina und ich
voller Vorfreude auf den nächsten Morgen in Yangshuo waren.
Zuerst musste jedoch die Busfahrt überlebt werden. Wir
hatten das große Glück, als erste einzusteigen, doch bald füllte sich der Bus
bis auf den letzten Plastikhocker, der in den Gang gestellt wurde. Zu Füßen von
Cristina und Max wurde auch noch ein Ehepaar gequetscht, die relativ gut
Englisch sprachen, und wenn wir nicht zu geschockt vom Fahrtstil des Busfahrers
waren, war sogar ein wenig nette Unterhaltung möglich.
Noch Sitz- oder Stehplätze? Nein? Aber die Gepäckablage ist doch noch frei, wo ist das Problem? |
Leider nicht so häufig, da es der Fahrer vorzog, seinen
vollbesetzten Reisebus auf einer zweispurigen Straße mit ständigem Gegenverkehr
unter Nutzung seiner einem Schiffshorn gleichenden Hupe (die war sicher NICHT serienmäßig
ab Werk) einem dauerhaften Überholvorgang auszusetzen. Vielleicht fahr ich doch
lieber Zug mit Reisschnapps-saufenden Chinesen, deren Zahnhygiene seit den
Zeiten Maos nicht mehr stattgefunden hat.
Wir kamen jedenfalls gesund und fast auch munter an, bezogen
nach ein wenig Sucherei unser Hostel und planten den Rest des Tages. Da wir so
früh in Guilin losgefahren waren, hatten wir die Möglichkeit, nachmittags den
Li mittels Kayak zu erkunden, der durch die Karstlandschaft fließt und diese
auch größtenteils geformt hat.
Erste Eindrücke von Yangshuo - oben die trubelige Hauptstraße, unten der Li-Fluss vollgestopft mit Bambusfloßen; die ruhigere Stadtseite ist gegenüber |
Noch kurz ein paar wichtige Picknickutensilien (Tsingtao!)
erstanden, wieder in einen Bus gestiegen und eine halbe Stunde außerhalb der
Stadt am Fluss ausgesetzt, wo ein braungebrannter, mittelalter Klischee-Chinese
mit Schilfhut, Bambusfloß und den Kayaks auf uns wartete. Auf Schwimmwesten
wurde Wert gelegt, der Rest war 2 ½ Stunden großer Spaß: Sportlich forsch
voranpaddelnd (am Anfang) oder sich gemütlich vom Fluß stromabwärts treiben
lassend (sehr bald danach) glitten wir durch die bizarre Landschaft mit ihren
Zuckerhüten-ähnlichen Bergen. Am Flußufer schnorchelten dort lebende
Jugendliche nach Krebsen und anderen Köstlichkeiten, Wasserbüffel lagen im
flachen Uferwasser um der Hitze des Tages zu entgehen, Reiher jagten nach
Fischen und Bauern ernteten den in den tieferen Lagen schon reifen Reis auf den
Feldern in Flußnähe. In den Stromschnellen merkten wir bald, dass es leicht
ist, Schlagseite zu bekommen – gekentert ist trotzdem niemand.
Bestes Fortbewegungsmittel, vor allem stromabwärts! |
Cristina stellte sich als Schnäppchenjäger und harte
Händlerin heraus, die einen eineinhalbstündigen Ausflug durch die Stadt
unternahm, um Fahrräder zu finden, die für 10 statt für 20 Yuan zu leihen waren
– ich war beeindruckt.
Unser Ziel war der Mondberg, ein Bogen mit ca. 30m Innendurchmesser
in einem der Berge in der Nähe von Yangshuo. Am Fuß des Bergs hieß uns nicht
nur eine ältere Dame willkommen, die durch ihre Fröhlichkeit, Kontaktfreude und
Verkaufsfähigkeit für kalte Getränke sofort auffiel. Wir hatten uns freilich im
Vorhinein eingedeckt und leider keinerlei Bedarf, aber das störte keinen großen
Geist, - wir könnten ja nach dem Abstieg nochmal vorbeikommen? Gerne durften
wir ein Bild machen – und entdeckten beim nachmittäglichen Durchstöbern der
einschlägigen sozialen Netzwerke unter dem Hashtag #moonhill vor allem Bilder
genau dieser netten Dame.
Der Mondberg |
Ein junger Rucksacktourist unklarer Herkunft (Baltikum?
Skandinavien? Der Akzent war schwer zu interpretieren) gesellte sich zu uns und
gab uns den Tipp, oben knapp unterhalb des Loches ein Schild, dass die Nutzung
eines kleinen abzweigenden Pfades untersagte, auf jeden Fall zu ignorieren; es
würde sich lohnen.
Gespannt, was uns erwartete, machten wir uns auf den Weg und
hatten auch bald die 300 Höhenmeter bis zum Bogen überwunden, Ein perfekter
Halbkreis hat sich hier gebildet, Bohrhaken und auf Redundanz konstruierte
Seilumleitungen deuten darauf hin, dass dieser Teil des Bergs auch zum
Klettern genutzt wird. Cristina und ich bekamen sofort Lust, sie hatte sogar
ihre Kletterschuhe dabei, aber ohne Seil und Sicherungsausrüstung war es
natürlich völlig unmöglich. Wir genossen den Ausblick und fanden nach kurzem
Suchen auch den erwähnten Pfad, auf den man erst durch das auffällig gestaltete
Verbotsschild wirklich aufmerksam wurde.
Der Bogen |
Der war weder freigeschnitten noch für
Europäer gemacht. Wie die Minenarbeiter duckten wir uns durch den grünen Tunnel
und arbeiteten uns ca. 50 Höhenmeter durch Gestrüpp nach oben, bis wir ins
Freie kamen und merkten – wir sind AUF dem
Bogen. Hier war der Ausblick atemberaubend, niemand war mit uns hier und wir
genossen die Ruhe, die Sonne und unser Picknick.
Blick vom Mondberg |
Ein Franzose gab uns
auf dem Gipfel den Tipp, über das Flusstal des Yulong zurück nach
Yangshuo zu fahren, das sei einerseits landschaftlich wunderschön und zweitens
ein wenig abgeschiedener.
Das wollten wir auch; dann merkte Max aber, dass sein
Vorderrad nicht mehr an seinem Fahrrad festgeschraubt war und irgendwie hatten
wir einen Abzweig des Landsträßchens verpasst. Schwuppdiwupp hatten wir uns
völlig verfahren und sitzen irgendwo am Land in einem kleinen Dörfchen, der
Mechaniker der Dorfkneipe reparierte rührenderweise Maxens Fahrrad, wir hatten
als Dankeschön dort drei kühle Bier gekauft und sahen der Sonne zu, wie sie immer
weiter hinter den Karstbergen versank und sich im Wasser spiegelte.
Abendstimmung am Yulong |
Trotz unserer chinesischen Sprachkenntnisse sowie dank der Ortskenntnis
der Landbevölkerung waren wir tatsächlich relativ bald wieder auf dem richtigen
Weg.
Unsere Jugendherberge hatte uns den Weg zum Fernsehturm
genannt, der auf einem Karstberg mitten in Guilin steht – anscheinend einer der
schönsten Orte für den Sonnenuntergang. Für unseren letzten Abend sollte dies
einen angemessenen Abschluss darstellen.
Wir stiegen 350 Höhenmeter einen Bergpfad hinauf und wurden
vom Fernsehstationswärter begrüßt, den wir mit 5 Yuan bestachen, uns in die Station und damit auf den Gipfel zu lassen. Dies sei üblich, so hatte uns die Jugendherberge informiert. Wir
wurden durch den Natodraht gelassen und hatten einen phänomenalen Ausblick.
Xing Lintao, oberster Fernsehantennenwärter des CCTV Yangshuo |
Sonnenuntergang über Guangxi |
Ein köstliches Abendessen
und eine Partie chinesisches Schach (Max hatte ein Spiel gekauft; es
erweitert herkömmliches Schach um einen Grenzfluss, eine Leibwache des Königs
die ihm nicht von der Seite weichen darf, sowie um Kanonen – sehr spannend) in
der wirklich gemütlichen Jugendherberge beschlossen den Abend. Max war
wahnsinnig motiviert noch weiter zu spielen, ich war von Sonne, Wind und
Radlerei wahnsinnig motiviert ins Bett zu gehen.
Chinesisches Schach |
Damit neigte sich unsere Zeit in Yangshuo auch schon dem
Ende zu, und ein weiteres Mal bereiteten wir uns auf 27 Stunden Zugfahrt vor.
Wie funktioniert das generell? Ist doch klar, gehst zum Bahnhof, steigst in den
Zug ein und ab dafür.
Nicht ganz: Zugfahren ähnelt, allem Chaos während der Fahrt
zum Trotz, im Vorhinein eher einem Inlandsflug, umso mehr, wenn Distanzen wie
die zwischen Guilin und Beijing zurückgelegt werden sollen.
Zuerst einmal gingen wir zu einem Supermarkt und deckten uns
mit den nötigen Utensilien für über einen gesamten Tag ein. Dies sieht für uns
drei, Cristina, Max und ich jeweils sehr unterschiedlich aus:
Cristina ist sehr gesund unterwegs:
Cristina ist sehr gesund unterwegs:
- Ein paar Früchte wie frische Mandarinen
- Gemüse, dass sie am Heißwasserspender im Zug wäscht
- 1,5l Wasser
- ein wenig Tee
- 1 Packung getrocknete Bananenchips
- 1 Packung Kekse aus gestampftem Sesam und Honig
Max nimmt das Ganze pragmatisch:
- Kurz vorm Zug gibt’s zwei gegrillte Hähnchenschenkel von einem Straßenstand. Die werden allerdings sofort verzehrt.
- 1 Packung chinesischer Madeleines,
- Ein paar Packungen Peanuts
- 6 kleine Bier, also 1,8l (vulgo „Schlafmittel“)
- 3l Trinkwasser
Meine Präferenz liegt klar auf Masse:
- 3x chinesische Fertignudeln, die mit chinesischem Hühnerbrühekonzentrat versetzt sind und durch den Heißwasserspender im Zug zum Leben erweckt werden
- 3 Packungen Oreos
- 2 Packungen von Cristina’s Bananenchips
- 2 Packungen Sesamkekse, die Cristina entdeckt hatte
- 2 Packungen von Max’ chinesischen Madeleines
- 6 kleine Bier
- 3l Trinkwasser
Alle waren auf ihre Art zufrieden und es wurde (bis auf eine
Oreopackung) alles restlos vertilgt.
Sodann macht man sich auf den Weg zum Bahnhof, wo eine erste
Ticketkontrolle erfolgt. Man kommt gar nicht in den Bahnhof hinein, wenn man
kein Ticket hat. Danach erfolgt eine Sicherheitskontrolle, die Taschen werden
alle geröngt und man läuft durch einen Metalldetektor (übrigens auch beim
Betreten der U-Bahnschächte). Das Ergebnis dieser „Sicherheitsprüfung“ ist aber
völlig irrelevant; der Detektor jault auf wie ein amerikanisches Polizeiauto, die Security-Damen gucken trotzdem lieber chinesische Soaps auf ihren Huaweis.
Angekommen im Bahnhof, sucht der erfahrene europäische
Reisende zunächst nach seinem Gleis. So wird das in China allerdings nichts: Da
steht dann auf der Anzeigentafel:
K21 **à** **6 **1
**07:55
wobei * für ein chinesisches Schriftzeichen steht.
Mittlerweile erkenne ich ein paar, mein Wortschatz umfängt vielleicht 20-30
Stück – aber das ist im Leben nicht ausreichend. Nach ein paar Zugreisen weiß ich
nun, wie die Tafel zu entziffern ist: Dort findet man den Zug K21 von AàB (in diesem Fall
BeijingàGuilin),
der um 19:55 (ok, das ist noch einfach) von Gleis 1, Warteraum 6 abfährt.
Man muss also zum Warteraum 6 gehen, dort warten ALLE
Passagiere, die auf diesen Zug möchten, wobei warten wiederum jeglichen chinesischen
Aggregatszustand annehmen kann: Wach, dämmernd, schlafend, hackedicht besoffen,
sitzen, stehend, hockend – ihr kennt das Spiel mittlerweile. Ca. 20 Minuten vor
Abfahrt wird die gesamte Meute gemeinsam aufs Gleis gelassen.
Dies ist ein wenig bizarr – aus der lärmenden, chaotischen
Umgebung des Bahnhofvorplatzes und des Warteraums (in Beijing gerne mal ca.
3000 Leute gleichzeitig) in den menschenleeren Bahnhof entlassen, einzige
Wegmöglichkeiten sind Notausgänge und die Zugänge zu Gleis 1. Aus der
lethargischen, muffelnden Masse werden hektische, vom schnellen Gehen fast ins
Rennen wechselnde Menschen – vor allem die, die nur einen Stehplatz haben und
sich noch eine Chance auf einen Sitzplatz ausrechnen. Hernach folgt der Kampf
um Platz in den Gepäckfächern, der „Einzug“ in die Schlafquartiere - und dann beginnt auch schon das
Verkaufstheater.
Immer lustig, immer was los!
27 Stunden, 2200km, ein Buch, einige Schachspiele (erschwert
durch erzwungene Komplettverdunkelung um 22:00 Uhr Punkt), ein Panzertransport (siehe dieses Photo von Max http://instagram.com/p/t4SE2hEi3P/?modal=true
), viele Unterhaltungen mit den chinesischen Mitpassagieren sowie einer Menge
Essens später kommen wir in Peking an.
Schon bei der Einfahrt schwant uns Böses, aber wir hoffen
noch auf einfach dicken Nebel, der sich wie eine milchgläserne Kugel um die Straßenlampen gelegt hat. Pech gehabt sagt der Blick auf die Smogmessung,
wir haben einen pm2,5-Wert von knapp unter 500 – den schlimmsten Wert seit 6 Monaten.