Sonntag, 12. Oktober 2014

Reisterrassen im Nebel

Es ist der 1. Oktober 2014 Mittags.

Wir sind nach 27 Stunden Fahrt dem Zug entstiegen und freuen uns über das sagenhafte Klima in Guilin: 28°C, feinster Sonnenschein, kein Smog. Mit uns scheint halb China nach Guilin zu wollen, der Bahnhofsvorplatz ist jedenfalls gerammelt voll von Schleppern, Touris, Bussen, Fruchtständen, Taxis, umherflitzenden Mofas und Street-food-Ständen.

Von überall kommen die Rufe: "Hello, Yangshuo, hello?!" Nein, wir möchten nach Ping'an in den Norden, einem kleinen Dörfchen in einem Nationalpark, das komplett unter Ensembleschutz steht und von den Angehörigen der Yao-Minderheit bewohnt wird. Nach ein bisschen Verhandlung (wir wurden stümperhaft abgezogen und haben viel zu viel bezahlt) steigen wir in einer versteckt liegenden Gasse in einen Bus, rasen zunächst durch Guilin um nach ca. 2 Stunden in den Nationalpark zu gelangen. Hier müht sich der etwas lungenschwache Bus die Serpentinen hinauf, bis wir auf ca. 900m am Tor von Ping'an anlangen. Da man in das Dorf nicht hineinfahren darf, werden wir hier freundlich verabschiedet, schultern unsere Rucksäcke und marschieren bergan. Das Dorf ist wirklich klein, keine 1000 Menschen leben hier, davon sind sicherlich 70% für den Tourismus eingespannt. Der Rest sind traditionelle Ackerbauern, die die am steilen Hang liegenden Reisterassen, für die die Gegend berühmt ist, bewirtschaften.
Fahrt nach Ping'an

Während der Fokus auf den Tourismus an jeder Ecke evident ist - das Dorf platzt an kleinen Souvenirläden, Supermärktchen, Restaurants und Hostels - ist es trotz allem gelungen, durch die vorsichtige Gestaltung dieser Etablissements den Charme des kleinen Dorfes zu erhalten und die traditionellen Ackerbauern nicht komplett an die Wand zu drücken. Das Gelände macht eine maschinelle Bewirtschaftung unmöglich, so dass eine gute Menge Viehzeug im Dorf ist, vornehmlich Mulis und Esel für den Lastenverkehr sowie Wasserbüffel für die Bearbeitung der Reisfelder. Nebenbei staksen haufenweise Hühner umher, die abends über dem offenen Feuer zu einem absolut köstlichen, für die Region typischen Grillhändel zubereitet werden.

Grillhändel am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen
Anderntags hatten wir uns vorgenommen, recht früh aufzubrechen und eine Wanderung zu unternehmen. Das Frühstück bestand echt Chinesisch aus einer Nudelsuppe, so dass wir gut gestärkt den Tag in Angriff nehmen konnten. Es schüttete, aber das sollte uns nicht abhalten: die resultierenden tief hängenden Wolken, die über die Berge zogen, verhalfen der Gegend nur noch zu mehr Charme, als sie sowieso schon hat.

Die Tourbus-Tagestouristen vermeidend machten wir uns auf den Weg über einen Hügel und waren (da dies ja körperliche Anstrengung bedeutet, dem chinesischen Touristen ein unerträgliches Graus) bald völlig alleine. Der Pfad schlängelte sich an einem malerischen Gewässer vorbei, durch einen Wald und bald in neue Reisterassen zu einem weiteren Dorf - viel weniger touristisch und sehr viel mehr bäuerlich. Komplett ohne andere Touristen streiften wir zwischen den Holzhäusern hindurch, bis wir eine Frau fragten, ob sie ein wenig gebratenen Reis mit Ei für mich und etwas Kaffe(-ersatz) für Max hätte. Hatte sie, und wir waren die nächste Attraktion für die jüngere Generation, deren Fußballspiel nun durch Begaffen der komischen Typen ersetzt worden war. Der Reis war von den umliegenden Feldern und schmeckte merkbar anders als das Industrieprodukt, dass in Peking gekocht wird.

See am Weg

Durch Reisterassen einen schmalen Weg entlang zum nächsten Dorf - immer den zwei Yao-Damen hinterher

Im Dorf, ganz hinten ist Mittagspause

Reisbauer am Weg


Der Nebel schluckte alle Geräusche und die Stimmung, als er sich dann ein wenig hob und nur noch einzelne Fetzen langsam über die Landschaft zogen, war einzigartig - fast verwunschen. Auf dem Rückweg war der Blick über das Dorf in das Tal hinein überwältigend.
Ping'an in den Reisterrassen

Reisterrassen auf dem Weg

Zurück im Hostel genossen wir ein ordentliches Abendessen: Neben im Ganzen frittierten, kleinen Flussfischen aus der Gegend, die inklusive Kopf, Flosse und Gräten vertilgt werden gab es auch den sogenannten Bambusreis: Reis wird mit Kürbis und anderem Gemüse in ein Bambusrohr von ca. 10cm Innendurchmesser gestopft und dann einige Zeit über dem Feuer erhitzt. Oben wird als Stöpsel das Ende eines Maiskolbens hineingetrieben. Das Resultat ist ein klebriges, leicht süßliches Reisgericht - Max war kein Fan, ich fand's super.


Abendessen


In der Austauschbibliothek des Hostels fand ich die gesammelten Bände von Sherlock Holmes, so dass der Abend gerettet war - dazu noch ein Bierchen auf der Terrasse, die Wolken klarten auf und das Leben war durchaus erträglich.

Am nächsten Tag stand die Zwischenetappe nach Guilin im Vordergrund bevor wir weiter zu den Karstbergen in Yangshuo fahren wollten. An normalen Tagen ist dies eine Angelegenheit von maximal 2 Stunden, wie wir auf der Hinreise bemerkt hatten. Wir benötigten 5 Stunden, da mehrere Unfälle auf den engen Bergstraßen sowie die goldene Woche dazu führten, dass China im Chaos versank - wenigstens dieser Teil. Dafür waren die Mädels an der Hotelrezeption in Guilin ("Wada Hostels" in Guilin und Yangshuo - absolut empfehlenswert!) goldig und wir kamen gerade rechtzeitig zum köstlichen chinesischen Barbeque-Buffet, das jeden Freitag im Hostel stattfindet.

Ach ja: Cristina aus Alicante hatte sich vor zwei Tagen angemeldet, mit unseren Details Züge und Hostels gebucht und stieß für den Rest der Reise dazu, so dass wir von nun an zu dritt unterwegs waren.

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