Kaum saß Mami im Flieger, gingen schon die Vorbereitungen
für den nächsten Trip los. Cristina, Max und ich flogen spontan auf die
Philippinen. Wie kam denn das?
Mein Schulweg war ja auch schön damals... |
Wegen APEC wurden unter anderem alle staatlichen
Institutionen in Peking geschlossen – wir hatten 10 Tage einfach Ferien. Die
müssen genutzt werden!
Nun, ursprünglich hatten ein paar unserer Kommilitonen,
inklusive mir, eine Reise nach Nordkorea gebucht. Ja wirklich, wir wollten nach
Nordkorea, unsere Visumanträge waren schon bewilligt, die vom nordkoreanischen
Staat zertifizierte Reiseagentur hatte Zugtickets, Überlandbusse und Unterkünfte
und außerhalb Pyongyangs gebucht und wir hatten entsprechende Anzahlungen
geleistet. Wir waren wirklich auf dem Weg nach Nordkorea und hätten dort einen
Blick in eines der isoliertesten Länder dieser Erde werfen können – und
vielleicht, auf den Fahrten durch das Land und zwischen den choreographierten
Besichtigungstouren vorbildlicher staatlicher Einrichtungen, ein wenig hinter
die Kulissen der gigantischen Propagandamaschine blicken können. Ich war
wahnsinnig gespannt, weil es in dem Sinne keine schöne Reise werden würde –
aber eine einmalige und mit großer Sicherheit sehr spannende.
Der gute Kim bekam jedoch ein wenig Schiss, da Ebola um die
Welt geistert und er (wahrscheinlich ziemlich zu Recht) gehörig Respekt vor den
Konsequenzen für sein „Gesundheitssystem“ und den Folgen für sein Volk hat. Ich
kann mir gut vorstellen, dass nichts und niemand dort ausgebildet oder
ausgerüstet ist, mit einem Ebola-Ausbruch fertig zu werden. Sprich, eine Woche
vor Abflug wurde die Grenze für Touristen einfach geschlossen, und wir hatten
keinen Alternativplan. Ich fand es einfach sehr schade – da ging eine Chance
dahin, von der ich nicht weiß, ob ich sie überhaupt noch einmal bekommen würde.
Für alle, die Bedenken ob der Reisesicherheit ausländischer
Touristen in Nordkorea haben, sei diese Seite des Auswärtigen Amtes empfohlen.
Der Blues griff um sich, und rein aus Neugierde suchte ich
auf einem Flugvergleichsportal im Internet, wohin denn im gesuchten Zeitrahmen
der billigste Direktflug von Peking aus ins Ausland gehen würde. Siehe da,
eindeutig Manila, Hauptstadt der Philippinen – für 315€ einmal Südsee und
zurück, und sogar zu halbwegs angenehmen Flugzeiten. Innerhalb einer halben
Stunde hatten sich Max, Cristina und ich per WeChat (der chinesischen
Alternative zu WhatsApp) koordiniert und der Flug war gebucht. Danach habe ich
mal wieder das Auswärtige Amt konsultiert, ein wenig gegoogelt und ein paar Freunde und Bekannte angeschrieben, die dort mal gelebt haben. Neben dem hässlichen,
dreckigen und nicht ungefährlichem Moloch Manila, sowie einiger zu meidender
Inselgruppen, die Schwierigkeiten mit fundamentalen Islamisten haben, werden
das Land und seine Menschen weithin als unglaublich gastfreundlich beschrieben.
Zudem sei die Natur atemberaubend.
Cristina hatte ein paar gute Freunde, die derzeit ihr Austauschsemester
in Manila machen: Tamara und Juan statteten uns aus mit einer Beschreibung wie
wir sie in Manila finden würden und kümmerten sich fortan rührend um uns – von
der Abholung, über die Unterbringung, Verpflegung, Betreuung sowie
sachdienliche Reisetipps, für alles war gesorgt. Selten so herzliche Gastgeber
erlebt, die einen mit unglaublich weit geöffneten Armen in ihr tägliches Leben
aufnahmen!
Die Ankunft in Manila war allerdings ein echtes Abenteuer –
jedenfalls fühlte es sich in dem Moment so an.
Nach knapp 5 Stunden Flug purzelten wir aus der Maschine,
und statt 3°C in Peking fanden wir uns auf einmal 27°C und relativ hoher
Luftfeuchte ausgesetzt – und das um halb eins in der Nacht. Der Flughafen
selber ist eine Peinlichkeit für einen internationalen Hauptstadtflughafen,
selbst das wirklich unterentwickelte Äthiopien hat in Addis eindeutig mehr zu
bieten. Bei der Einreise bekommt man ohne viel Probleme einen Touristenstempel
in den Pass geknallt und voilá, willkommen auf den Philippinen!
Erste Amtshandlung: Pesos abheben. Wir waren mit unseren
DKB-Kreditkarten ausgestattet und wussten, dass man damit überall auf der Welt
kostenlos Geld abheben kann. Doof nur, dass beim Ausgang vom Terminal von den
fünf vorhandenen Geldautomaten vier gerade „Maintenance“ haben und also
ausfallen. Vor dem einzig funktionierenden Automaten bildet sich
nachvollziehbarerweise eine lange Schlange; der Gedanke, dass vielleicht nicht mehr
genügend Geld im ATM sein könnte um uns die Taxifahrt ins Bett zu finanzieren, setzte
sich unangenehm im Hinterkopf fest.
Da steht, als ob er das gerochen hätte, ein smart
gekleideter Polizist/Sicherheitsmann neben uns, begrüßt uns und heißt uns auf
den Philippinen willkommen. Wir sähen so aus, als bräuchten wir Pesos – er
könnte uns einen guten Kurs geben, das wäre kein Problem! Dollars, Euro,
Schweizer Franken, Pfund?
Ich brauche einen Moment um das zu begreifen: wir sind
gerade seit nicht ganz zwanzig Minuten auf den Philippinen, und der erste Pinoy
(„Philippino“ in der hiesigen Landessprache Taglisch, einer Mischung aus
indigenen Sprachen und der Sprache der ehemaligen spanischen Kolonialherren)
mit dem ich seit Einreise Kontakt habe, ist ein korrupter Polizist, der mir
Geld auf dem Schwarzmarkt andrehen will. Na Prost Mahlzeit.
Zusammen mit der fortgeschrittenen Uhrzeit trug dies nicht
wirklich zu unserem subjektiven Sicherheitsgefühl bei, aber siehe da,
wenigstens gab es einen offiziellen Taxistand, an dem man sich ein
vertrauenswürdiges, legal zertifiziertes Taxi nehmen würde. Er wusste auch
Bescheid wo wir hinwollten, Rucksäcke hinten reingeschmissen und los ging’s.
Der Kerl war unfassbar. Mit einem Fahrstil wie aus einem
Computerspiel gab er uns geschätzte Ankunftszeiten zwischen einer halben Stunde
und 2 ½ Stunden – und das wechselte gerne mal innerhalb von 10 Minuten.
„Traffic jam, sir, Manila is world capital of traffic jam!“ – er rast nichtsdestotrotz
mit 130 innerorts die Stadtautobahn entlang. Irgendwann merken wir, dass er
beim Überholen von Lastwagen merkwürdig lange zögert und sehr nervös ist. Auch
nutzt er die Lichthupe selbst wenn gar keine anderen Autos vor ihm zu sehen
sind. Darauf angesprochen meint er trocken, wir würden auch mit aufgeblendetem
Licht fahren, wenn wir, wie er, nur 30 Meter weit sehen könnten. Wir haben dann
seine allgemeine Fahrtüchtigkeit nicht weiter hinterfragt.
20 Jahre hatte er als Soldat bei den Marines am Flughafen
gearbeitet, jetzt war Taxifahren dran – aber nur die Flughafenfahrten, alles
andere sei nachts zu gefährlich in Manila. Ausserdem sei seine Frau furchtbar, und
Taxifahren böte die Möglichkeit, so wenig Zeit wie möglich zuhause zu
verbringen. „My wife, Ma’am, always nag nag nag! Nag nag nag! Is hell at home!
This is my last drive today Ma’am, then I go to ladyhouse and see my
girlfriend. Only sixteen years old, sir, delicious! Mmmh, no nagging, never.“
Es folgte eine vorstellbar dreckige, selbstzufriedene Lache und wir lachten
nervös mit.
Später hörten wir, dass aufgrund des fundamentalistischen
Christentums Scheidungen verpönt sind und nicht stattfinden, so dass unglückliche
Paare andere Arrangements finden (müssen) – die Gott sei Dank nicht immer Minderjährige
einschließen, wie in diesem Fall.
Tamara und Juan holten uns mit ein paar gemieteten
Motordreirädern ab, die mit uns ca. 5 Minuten durch ein Wohngebiet heizten bevor
wir vor den Toren ihrer Gated Community standen, in der sie mit ein paar
anderen Austauschstudenten ein Haus gemietet hatten. Auf meine Frage, warum wir
den kurzen Weg nicht gelaufen wären, meinte Juan, das müsse hier um diese
Uhrzeit nicht unbedingt sein. Manila ist in Punkto Sicherheit auf jeden Fall
auf einem ganz anderem Niveau als Peking, so mein subjektiver Eindruck.
Wir kamen in der Nacht von Freitag auf Samstag an und hatten
unsere Weiterreise für Sonntagmorgen geplant. Von verschiedenen Seiten hatte
ich gehört, dass Manila wenig von touristischem Wert zu bieten hat. Das kann
ich hiermit voll und ganz bestätigen. Vor allem war es ein sehr interessanter
Kontrast zu Peking: Für eine Metropolregion mit ca. 13 Millionen Einwohnern
existieren zwei U-Bahnlinien, die kreuzweise durch die Stadt ziehen. Sie
wurden allerdings so gebaut, dass es nicht möglich ist, in einer Station von
der einen in die andere Station umzusteigen. Taxis sind (für Europäer) wahnsinnig
günstig, man benötigt sie aber weniger als Fortbewegungsmittel, vielmehr sind
sie ein langsam rollendes Sofa im Dauerverkehrsinfarkt, auf den sich unser
Taxifahrerfreund vom Abend davor bezogen hatte. Für eine Distanz von 10
Kilometern kann man gut und gerne 3 – 4 Stunden brauchen, wenn man ein wenig
Pech hat. Die berechtigte Frage ist, weshalb man dann nicht einfach läuft. Wie
schon beschrieben ist dies aus Sicherheitsgründen nicht immer zu empfehlen.
Juan meinte zudem, nachts unterwegs zu sein, sei teilweise sicherer als
tagsüber, da es nachts schwieriger ist, weiße und somit reiche Menschen von
Pinoys zu unterscheiden. Mein natürlich sehr unfairer, weil sehr kurzer
Eindruck ist, dass Manilesen vor allem auf Malls stehen, riesige, dekadente
Malls, die an allen Ecken und Ende aus dem Boden schießen. Zudem klagten unsere
Gastgeber über die schlechte Luft, was (obwohl sie nicht an das Pekinger Niveau
heranreicht) für eine Stadt, die auf einer Insel und direkt am Meer liegt, doch
bemerkenswert ist.
Interessant war weiterhin, die häufig irgendwo angeschlagenen
Lippenbekenntnisse der Regierung zu lesen, die zu mehr Härte gegenüber
Drogenanbau, -handel und –konsum mahnte. Gerade der Kontrast zu Schilderungen
von Juan war niedlich: er berichtete, dass nur ca. 2 Autostunden ausserhalb von
Manila Marijuana angebaut werde wie andernorts Kohlköpfe.
Es war schade, die beiden zu verlassen, aber alle drei waren
wir froh, Manila hinter uns zu lassen und Sonntag morgen in den Flieger nach
Puerto Princesa, der Hauptstadt der Insel Palawan zu steigen. Ich hatte mir in
meiner romantischen Fantasie eingebildet, wir würden in eine kleine
Propellermaschine mit wenigen Sitzen steigen und rumpeldipumpel über die Piste
sausen.
Nix da, die Reisezeit beträgt ca. 1 Stunden in einem
Standard-Airbus – mir war nicht klar, dass wir noch einmal so weit weiterreisen
würden.
Puerto Princesa selbst ist ein klitzekleiner Flughafen,
dessen Landebahn fast im Meer mündet. Man sieht das Meer auf jeden Fall
glitzern, wenn man aus dem Flugzeug steigt.
Draußen warten die unvermeidbaren Horden an Schleppern, aber
ausgestattet mit Insidertips von Tamara und Juan zogen wir zielstrebig vorbei
und mieteten uns in zweiter Reihe ein Motordreirad (lustige Konstruktionen aus
einem normalen Motorrad mit einem auf einem dritten Rad gestütztem Aufsatz, in
dem wahlweise aller möglicher Krempel oder eine 7-köpfige Familie transportiert
werden), der uns in die Stadt brachte.
Unser loser Plan war es, direkt in das kleine Dörfchen El
Nido im Norden der Insel weiterzufahren, aber das wollten wir noch von Puerto
Princesa abhängig machen. Wir ließen uns also von dem Motorradfahrer ein nettes
Restaurant am Strand von Puerto Princesa zeigen, wo es besten Fisch zur Auswahl
gab. Man sucht ihn sich einfach aus, er wird auf den Grill geschmissen, dazu
gibt es Reis satt sowie eine Soße die nur und ausschließlich aus Sojasauce,
Kalamansi (einer Art Minilimone, groß wie etwa eine Cocktailtomate, sehr
erfrischend) und Chili besteht und alles wird auf Bananenblättern direkt am
Meer serviert – eine frisch aufgeschlagene Kokosnuss noch dazu, je nach
Belieben. Eine hervorragende Stärkung nach den Strapazen der Reise!
Einfach und unglaublich gut. Die kleinen grünen Kugeln sind die Kalamansi |
Hernach kam die Höllenfahrt nach El Nido. Wir wurden mit
acht anderen in eine kleine Toyota-Sardinenbüchse gestopft und rasten gegen sieben
Uhr abends in völliger Dunkelheit aus der Stadt raus. Das erinnerte ein wenig
an die Fahrt durch Äthiopien, nur waren diesmal nicht so viele Leute im Wagen.
Dafür interessierte den Fahrer nicht die Bohne, dass die Federung des Wagens
nicht mehr existierte, dutzende streunende Hunde nur knapp einem schrecklichen
Tod durch Überfahren entkamen und zwischendurch die Straße aufgehört und durch
Schotterpiste beziehungsweise Baustelle ersetzt worden war – anscheinend bedurften weder Geschwindigkeit
noch Fahrweise einer Anpassung. Wir pesten durch den Dschungel, hin und wieder
passierten wir einen Checkpoint der Marines. Etwa alle eineinhalb Stunden machten
wir kurz Rast an kleinen mit Bananenblättern gedeckten Bambushütten, in denen
geschäftstüchtige Damen den Reisenden ein Abendessen anboten. Höllisch unbequem, weil an die Platzbedürfnisse des durchschnittlichen Pinoy angepasst, versuchten
wir ein wenig zu schlafen und hofften, bald anzukommen. Die Hoffnung zerstörte
sich recht bald: wir fragten nach jeder Pause, wie lange es noch in etwa sei –
die Antwort war jedes Mal „4 ½ Stunden“.
Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir gegen eins, halb zwei Uhr nachts
irgendwo im Dörfchen El Nido mit seinen geschätzten 2000 Einwohnern,
aber ohne im Voraus ein Bett gebucht zu haben. Unser Plan war zwischendurch,
den Tipps von Tamara und Juan folgend, die erste Nacht am Strand zu übernachten
und sich dann vor Ort eine schöne Unterkunft für die darauffolgenden Tage zu
suchen. Wir verwarfen dies jedoch bald, da weder Cris noch Max für eine solche
Nacht ausgerüstet waren und zum anderen uns nicht klar war, wie harmlos die
überall herumstreunenden Hunde wirklich waren, die natürlich auch den
nächtlichen Strand bevölkerten. Von einem französischem Freund unserer
malinesischen Wohltäter hatten wir die Adresse eines günstigen Hostels direkt
am Strand bekommen, das wir daraufhin ansteuerten. Eine verschlafene junge Pinoy checkte
uns ein, zehn Minuten später waren unsere Sachen verstaut und wir auf dem Weg
zum Strand – einmal baden musste noch sein.
Es war zwei Uhr nachts, wir waren mutterseelenallein am Ende
der Welt irgendwo in der Südsee, das Wasser war um die 30°C warm, über uns
funkelten die Sterne, die Klänge der einzigen Reggaebar im Dorf, die
verzweifelt versuchte Partystimmung aufkommen zu lassen, schwebten über das
Wasser zu uns herüber und wenn man sich zwischen den Auslegerbooten auf dem
Rücken treiben ließ konnte man hin und wieder eine Sternschnuppe erwischen.
Der Strand von El Nido aus unserem Hotel gesehen |
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