Samstag, 10. März 2012

Politik

Viele, die Äthiopien hören, denken an kleine Kinder mit aufgeblähten Bäuchen. Jeder kennt den Witz vom "reichen Äthiopier mit der Rolex um den Bauch". Kurz vor Abflug bekam ich Kommentare ohne Ende, ich solle nicht vom Fleische fallen und dergleichen mehr.

Und es stimmt: es gab in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verheerende Hungersnöte am Horn von Afrika mit Millionen Unterernährten und Tausenden Toten. Und wenn die Region in den Nachrichten ist, dann entweder wegen Piraten vor Somalia, Entführungen in der Danakilregion oder Hungersnöten.

Wer Land und Leute hier sieht, der versteht nicht, wieso es diese Hungersnöte gibt: das Land steht in Blüte und an jeder Straßenecke türmen sich Gemüse und Obst in den Läden. Die Leute sind zufrieden und anscheinend auch gesund. Natürlich gibt es Bettler, aber erstens erstaunlich wenige und zweitens ist die Schere in Äthiopien viel weniger ausgeprägt als in anderen Entwicklungsländern - es gibt eine ausgeprägte, starke Mittelschicht. Wellblechhütten kuscheln mit großen Villen und bescheidenen Mittelstandshäuschen in der selben Straße direkt nebeneinander und keiner nimmt Anstoß daran.

Wieso also, hat dieses Riesenland, dass weit über die Hälfte seines BIP durch Landwirtschaft erzielt immer wieder Probleme mit Hungersnöten?

Die ursprüngliche Ursache liegt natürlich im Wetter: Wenn die Regenzeit lang genug auf sich warten lässt, beziehungsweise gar ausfällt, gibt es große Probleme. Der Ausfall einer Regenzeit ist aber keine Überraschung: Es existieren Frühwarnsysteme, die es erlauben, dass sich die Region auf die Dürre vorbereitet.

Aber, wenn diese Frühwarnsysteme existieren - wieso müssen Leute hungern? Australien ist ein ganzer Kontinent mit ähnlich problematischen Wetterbedingungen. Trotzdem hört man keine Meldungen über Wasser- oder Nahrungsmittelkrisen.

Schaut man sich die Bedingungen an (existierendes Frühwarnssystem, genügend Fläche um eine Dürre durch Überproduktion in anderen Landesteilen abzufangen, genügend Speichermöglichkeiten) muss man sich die Frage stellen, wie es noch zu Hungersnöten kommen kann.

Es gibt nur eine Antwort: Jede einzelne Ernährungskrise am Horn in den letzten 30 Jahren ist menschengemacht. Korruption, Mismanagement der Ressourcen und falsche Krisenreaktionen sind die Ursachen, da es alle Ressourcen gibt, diese zu verhindern.

Doch das ist nicht die einzige Antwort: Um Fremddevisen zu bekommen, weist die Regierung riesige Landstriche als "ungenutzt" aus, um diese dann ausländischen Agrarkonzernen zu vermachen. Diese Investoren nutzen das Land um dort Blumen und Nahrungsmittel als Exportprodukte anzubauen. Kein einziges dieser Agrarprodukte bleibt auf dem heimischen Markt.
Die schlimmste Dimension dieses als "land grabbing" (--> Google: "Ethiopia land grabbing" o.ä.) bekannten Phänomens ist allerdings, dass dieses Land gar nicht ungenutzt ist. Menschen leben dort und ernähren sich z.B. durch Subsistenzlandwirtschaft, der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung für den Eigenbedarf. Diese Menschen müssen verschwinden.
So werden in ganz Äthiopien tausende Menschen innerhalb des Landes enteignet und vertrieben - ohne jegliche Entschädigung.
SAUDI STAR - hocherfolgreich im äthiopischen Agribusiness
Vor zwei Jahren wurde mit der Hungersnot sogar höchst erfolgreiche Politik gemacht. Das Regime, dass seit Mitte der Achtziger die Fäden in der Hand hält, hat eine einfache Gleichung vor der Wahl im Herbst 2010 aufgestellt: Stimme für die Regierung ==> Essenszuweisung, Stimme für eine andere Partei ==> keine Essenszuweisung. In Kombination mit einer Einschüchterungskampagne gegen die Oppositionsparteien kam man auf das tolle, offizielle Ergebnis von 93,1%.

Herzlichen Glückwunsch!

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