Freitag, 9. März 2012

"Taxi"

Taxis gibt es hier natürlich auch, aber halt! Das ist alles nicht so einfach. Auf der einen Seite gibt es Taxis und es gibt Contract Taxis.

Taxis sind KEINE Taxis, das sollte einem dabei bewusst sein. Das sind Contract Taxis.

Alles klar?
Willkommen in Afrika.

Ich hatte am Anfang keine Ahnung, was jetzt was ist und wie ich wohin komme. Mittlerweile hat sich das geändert:

  • Ein Contract Taxi ist analog zu einem deutschen Taxi (völlig verbeulte aber chromblitzende Lada aus Sowjetzeiten)
Contract Taxi, gar nicht mal so zweckentfremdet
  • Ein Taxi ist ein Minibus, der eine bestimmt Strecke fährt, die aber weder am Minibus noch an den nicht-existierenden Bushaltestellen geschrieben steht. Abfahrtszeiten gibt es nicht, ein Bus fährt, wenn er voll ist. Das ist aber kein Problem, da das Minibussystem chronisch überlastet ist und sich ein Bus so immer wahnsinnig schnell füllt. In Wahrheit kommt man so schneller voran als im wahnsinnig organisierten München - wo man 15 min wartet bis die richtige U-Bahn da ist.

Wie funktioniert das also?
Wir haben eine größere Bushaltestelle bei uns ganz in der Nähe - Bole Bridge ("Bole Dildi" oder "Bole Bras"). Dort läuft man in kurzer Zeit hin und sieht ein riesiges Chaos:

Einfahrt in die Busstation Bole Bras
Man muss sich das so vorstellen: Auf einem Platz, ausgelegt für 100 Minibusse, stehen minimum 130. Jeder Minibus besteht aus Driver (auf jeden Fall über 25 Jahre alt), Conductor (meistens Pubertät) und Toyota (kleiner japanischer Kerl). Der Driver thront in den abstrus innendekorierten Bussen (bspw. synthetischer langfaseriger Pelzflausch der dich und vor dir viele andere von der Decke hängend bei 30°C im Ohr kitzelt). Der Conductor steht draußen und schreit laut, wohin der Bus fährt. Man sucht solange einen Bus, bis man seine gewünschte Richtung gefunden hat.
Dann setzt man sich rein und wartet etwa eine halbe Minute bis der Bus voll ist. Offiziell sind die misshandelten Toyotas für 12 Passagiere zugelassen - 17 Passagiere habe ich schon gezählt. Dann geht's auch sofort los.
Irgendwo da geht's raus...
Der Conductor steht während der Fahrt in der offenen Schiebetür, außer wir werden wirklich schnell, dann lehnt er sich nur noch unnötig weit aus dem Fenster. So oder so schreit er weiterhin laut das Fahrziel ("Bolebolebolebolebolebole! Bole? BOLE!!"), so dass Passanten auf der Straße den Bus anhalten können wenn sie mitfahren wollen. Wenn der Conductor einen potentiellen Passagier erspäht hat, klopft er auf das Dach des Busses. Der Driver hält dann an. Aber wenn es mehr als 17 sind geht das nun wirklich nicht, Ordnung muss sein!
Conductor bei voller Fahrt
Will man aussteigen, zieht man die Aufmerksamkeit des Conductors (der Driver hört nur auf die Anweisungen des Conductors) auf sich, in dem man selbst entsprechende Klopfsignale und Handzeichen nutzt.
Bezahlt wird während der Fahrt - was nicht heißt, dass man sofort sein Wechselgeld bekommt. Das dauert manchmal bis zur Ausstiegsstation, je nach den Wechselgeldvorräten des Conductors. Eine kurze Fahrt kostet 1 Birr 40, eine mittlere Fahrt 2 Birr 70 und eine lange Fahrt 3 Birr 60. Wie die Länge einer Fahrt definiert ist wissen die Conductoren. Ich kenne keinen Ferenji der da durchblickt (gut, ich kenne auch nicht viele...). Aber wenn der Conductor einen ahnungslosen Ferenjou abzockt bekommt er Stress von den anderen Fahrgästen. Das ist ein durchaus ein gutes Gefühl.

Es ist durchaus kuschlig in diesen Bussen: Warm und gemütlich, der geschmackvolle Plastiküberzug in Schneeflecktarnoptik bzw. Modell "Schlangenleder rot" der Sitzgarnituren sorgt für die Wasserkühlung von Rücken und Oberschenkeln, der gewählte Sitzlehnenabstand sorgt für eine ergonomische Körperhaltung und die langjährige Erfahrung des Federsystems Marke "Eigenbau" lässt den direkten Kontakt mit den Straßen von Addis zu.

Aber: man kommt immer an, erlebt etwas, es ist unschlagbar günstig und noch nicht einmal so viel langsamer als vergleichbare Transportmöglichkeiten.

Mit so einem fahre ich also Tag für Tag von der Bole Bridge bis Megananga, steige um in Richtung Kotebe, klopfe nach dem grünen Lagerhaus zum Aussteigen und gehe noch eine viertel Stunde den Berg hinauf zu Selam ins Grüne.

Ach ja: Der Niagara ist trocken gelegt, kein weiterer Grund zur Panik - nach sieben Immodium war das aber auch mal Zeit.

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