Sonntag, 4. März 2012

Service und andere afrikanische Intensitäten


Einen wunderschönen Sonntag Euch!

Heute morgen war Service.

Wobei "heute morgen" äthiopisch-relativ ist: Gegen neun wachte ich auf, um zehn, so mein Informationsstand, sollte es losgehen. Um elf fuhren wir los, um bei Amanuel's Eltern Pancakes zu frühstücken, um viertel vor zwölf waren wir beim Gottesdienst. Gar kein Problem, hatte ja erst vor einer halben Stunde angefangen - fast eineinhalb Stunden zu spät: wir waren also perfect on time. TIA.


Ich war ziemlich neugierig, muss ich zugeben...

Der Service fand in einem Hotel in der Nähe der ganzen internationalen Hotels statt, ordentlicher Standard, viele Ferenji-Hotelgäste. Im Obergeschoss, in einer Art Seminarraum, saßen etwa fünfzig Äthiopier, zu denen Emanuel predigte. Er tat dies aber nicht so, wie man sich das in Deutschland vorstellt: Von der Kanzel, vom Blatt ablesen, Zuhörer schlafen ein und dann Glaubensbekenntnis. Nein, hier versuchte Emanuel den Leuten wirklich nahezubringen, was die Frohe Botschaft für ihr Leben bedeutet. Grob gesagt kann man sich das wie die christlich-fundamentalistischen Gottesdienste im Bible Belt in Amerika vorstellen. Ein Unterschied wurde mir aber bewusst - hier ist es authentisch. Die Menschen leben ihr Leben emotional und mit Gottergebenheit, deshalb reagieren sie auch mit großer Emotionalität auf die Botschaft Gottes. Vor allem wenn dies ein charismatischer Prediger ist, der es durch seinen außergewöhnlichen Redestil schafft, die Leute in einen euphorischen Zustand zu versetzen, den diese allerdings auch von ihm in einem solchen Service erwarten. Zwischendurch, wo dies opportun ist, verfällt er in einen Spiritual Song, den alle kennen, sofort wird mitgesungen und ein Chor sowie ein Keybordspieler nehmen das Thema auf. Eine Eucharistie oder ähnliche Sachen gibt es selbstverständlich nicht, das ganze dauert gut und gerne drei Stunden. Danach geht Emanuel herum und verteilt seinen Segen, was seine Schäfchen manchmal in körperlich sichtbare Verzückung fallen lässt.
Emanuel, der nigerianische Pastor





Man muss das nicht mögen. Aber man darf es auch nicht verurteilen, die Menschen gehen gestärkt hinaus in ihren schweren Alltag und genießen diese Zeit als Gemeinschaft. Meins ist es auf Dauer nicht, ein wundervoll gesungenes Sanctus trifft mich einfach auf ganz anderer Ebene. Theologisch konnte ich (sofern ich das überhaupt beurteilen kann) aber wenig gegen seine Thesen einzuwenden und weh tut es auch niemandem, ganz im Gegenteil. Insofern: Eine weitere intensive und auch irgendwo inspirierende Episode.

Wie langweilig wir Europäer sind!

Gute Nacht.

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